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Dr. Otto Eduard Vincent Ule

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1. Feuerwehrkommandant und Begründer des modernen Brandschutzes der Stadt Halle (Saale)

In der Gründerzeit der ersten organisierten Feuerwehren (Zeitraum um 1860) war es durchaus keine Seltenheit, dass als Kommandanten Politiker oder Wissenschaftler fungierten. Das Löschwesen in Deutschland kennt dazu zahlreiche Beispiele. Die freiheitlich demokratische Aufbruchstimmung nach der Revolution 1848 berührte insbesondere die Angehörigen der Bürgerschicht. Sie sahen sich oft als Vorbild und zeichneten sich durch hohes Engagement aus. Im September 1868 wurde ein Mann an die Spitze der Halleschen Turnerfeuerwehr gewählt, welcher das zukünftige Löschwesen der Stadt Halle stark beeinflusste. Darüber hinaus gründete er im Verein mit Schulze Delitzsch den Sächsisch – Anhaltinischen Feuerwehrverband.

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Die Rede ist vom Dr. Otto Eduard Vincent Ule. 

Ule gilt als erster Feuerwehrkommandant einer organisierten Feuerwehr in Halle. Ule wurde am 22.1.1820 in Lossow bei Frankfurt/Oder als Sohn des Predigers Ule geboren. Dort besuchte er das Gymnasium. Im Oktober 1840 ließ er sich als Student der Theologie an der Universität in Halle einschreiben. Später wandte er sich der Mathematik und anderen Naturwissenschaften zu. Er promovierte zum Doktor der Philosophie und bestand 1845 sein Oberlehrer – Examen. Sein offenes Auftreten gegen politische Missstände in Deutschland, brachte ihn eine mehrmonatige Haftstrafe wegen „politischer Giftmischerei“ ein. Ule war in zahlreichen fortschrittlichen Vereinen aktiv und gilt als Mitbegründer der Zeitschrift "Natur". Als Hallescher Stadtverordneter und Vorsitzender des Aufsichtsrates des Halleschen Wohnungsvereins bekämpfte der mit Vehemenz die Wohnungsnot. Seine gemeinnützige und demokratische Denkweise zu Grunde legend, gründete er in Halle die sogenannte Fortschrittspartei und war von 1863 – 68 Abgeordneter in Berlin.

Durch sein energisches Bemühen bei Versicherungen und Unternehmen, gelang es ihm in kurzer Zeit nach seiner Wahl zum Feuerwehrkommandanten, die technische Ausstattung der Feuerwehr zu verbessern. Ule reformierte die veraltete Formation des Löschwesen in Halle dahingehend, dass er einen Steigenzug, einen Spritzenzug und einen Rettungszug aufstellte. Es gelang ihm das Ansehen der Feuerwehr beim Bürger zu festigen und ihr mehr Rechte einzuräumen. Im Krieg gegen Frankreich 1870 konnte sich das System bewähren. Halle war damals Hauptlazarettstadt. Ules Turnerfeuerwehr übernahm in der Formation von 10 Zügen den Verwundetentransport vom Bahnhof in die Krankenhäuser. Dabei wohnte Ule zusammen mit seinen Kameraden in Baracken am Bahnhof um jederzeit einsatzbereit zu sein.

Ein tragischer Unfall setze dem Leben des agilen Mannes ein Ende. Während eines Festmahles anlässlich einer Gartenbauausstellung wurde er am Abend des 6. August 1876 zum Einsatz in die Große Ulrichstraße gerufen. Dort traf ihn, in Ausübung seiner Funktion als Einsatzleiter, ein herabfallender Stein so unglücklich, dass er an den Folgen wenige Tage später verstarb. Sein Tod wurde damals kommentiert mit: „Er war immer für das Gemeinwesen da und starb als Idealist.“ Als er begraben wurde, erlebte die Stadt einen Trauerzug wie nie zur vor. Über 18000 Teilnehmer mit 28 Vereinsfahnen gaben ihm die letzte Ehre. Auf den Straßen, durch die der Trauerzug lief, bildeten Tausende von Bürgern mit gesenktem Haupt ein Spalier. Die Geschäfte der gesamten Stadt blieben geschlossen. Die Tageszeitungen waren voll mit Nachrufen. Nicht nur aufgrund seiner Persönlichkeit sondern auch seine Freundlichkeit zu jedermann machte Doktor Otto Ule zu einem beliebten Zeitgenossen. Die Stadt ehrte ihn, indem sie eine Straße nach ihm benannte. Quelle: Ulrich Röfer

Die Thesen von Dr. Otto Eduard Vincenc Ule

 

Historiker der Stadt Halle (Saale) und Interessierte der Feuerwehr fanden in Niederschriften von Zeitzeugen zahlreiche Hinweise, dass Ule zu Lebzeiten Thesen aufgestellt und diese 1871 an einem sicheren Ort für die Nachwelt hinterlegt hatte. 
Nach dem Willen von Ule sollten die von ihm aufgestellten Thesen nach einhundert Jahren, also im Jahre 1971, geborgen und gelesen werden. Die zu diesem Zeitpunkt politisch Verantwortlichen waren jedoch an den Worten von Ule nur wenig interessiert. Möglicherweise hätten die aufgestellten Bekenntnisse nicht in das damalige System gepasst. So wurden keine Anstrengungen unternommen, den Ort der Hinterlassenschaft von Ule zu finden bzw. die Thesen zu bergen. Das Wissen um die Thesen geriet nach 1971 in Vergessenheit. Erst Anfang 2007 wurden  durch einen Zufall die Verantwortlichen der Feuerwehr Halle (Saale) wieder auf Ule aufmerksam. Durch eine Reihe von Historikern unterstützt, suchte man in Archiven der MLU sowie der Stadt Halle (Saale) nach Informationen über das Wirken von Ule. Bald gab es die ersten Hinweise über ein mögliches Vermächtnis. Der Nachlass von Ule sollte unter einem Denkmal auf der Würfelwiese liegen.


Am 12.04.2007 war es soweit. Nach 136 Jahren sollten die Thesen geborgen werden.
Die 1. Wachabteilung der Südwache wurde beauftragt, mit technischen Mitteln der Feuerwehr die Thesen zu bergen. Die Hauptbrandmeister Axel Salbego und Lutz Eube bereiteten die Arbeiten bis ins Detail vor. Der ca. 2 t schwere Granitstein durfte auf keinen Fall beschädigt werden. Der Einsatz eines Feuerwehrkranes war auf Grund von 3 Friedenseichen, die um das Denkmal standen, nicht möglich. Also wurden alternative Möglichkeiten vorbereitet. Am 12.04. gegen 15.00 Uhr wurde unter der Verantwortung von Brandoberinspektor Heiko Peibst das Denkmal vor den Augen zahlreicher geladener Gäste, zum Beispiel Dr. Klaus Peter Rauen (ehemaliger Oberbürgermeister der Stadt Halle (Saale), dem Enkel des Halleschen Branddirektors Martin Rohr (1913 - 1938) sowie Vertretern der Stadt und der MLU, zur Seite gezogen. Kurze Zeit später konnte eine ca. 25 cm lange, stark oxidierte Kupferröhre, mit einem Durchmesser von 6 cm geborgen werden. Das wertvolle Fundstück wurde in ein Labor überführt, um es in einer fachgerechten Umgebung zu öffnen. Die Beschädigungen der Röhre ließen nichts Gutes vermuten.

Wenige Tage später bestätigte sich die Vorahnung. Zur Enttäuschung aller wurde festgestellt, dass das Papier, auf dem die Worte Ules standen, fast völlig zerfallen war. Nur ein Wort konnte entziffert werden:   Gerechtigkeit

Trotz der Enttäuschung waren sich alle Beteiligten einig, dass das bloße Vorhandensein der Zinkröhre ein Erfolg auf der historischen Spur von Dr.Ule war. Bevor das Denkmal wieder an seinen ursprünglichen Standort gezogen wurde, hinterlegte der Leiter des Stadtarchivs eine neue Botschaft. Auch die Feuerwehr Halle (Saale) bekam die Möglichkeit, eine Botschaft unter dem Denkmal zu hinterlassen.

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